Ich liege in der Badewanne und versuche, eine halbwegs
bequeme Lage einzunehmen, während ich einen Teller mit Kuchen über der
Wasseroberfläche halte und ein Stück davon auf einer kleinen Gabel vom Teller
zum sicheren Hafen des Mundes balanciere. Viermal geht das Manöver gut. Das
fünfte Stück Kuchen fällt mir zwischen meine Brüste und überschlägt sich
mehrmals auf dem flachen Hang abwärts in Richtung meines Bauchnabels, bevor es,
sich langsam auflösend, in den Untiefen meines Badewassers verschwindet. Die Krümel
trüben das Wasser in ihrer unmittelbaren Umgebung und ich habe das Gefühl, nun
in kontaminiertem Wasser zu sitzen. Essen im Badewasser. Irgendwie eklig. Ich
muss an die Eislöffel denken, die in Eisdielen in den Pausen zwischen den
verschiedenen Bestellungen immer in die selbe trübe Brühe aus lauwarmem Wasser
getaucht werden, und so jedem vernünftigen Menschen die Lust auf eine Waffel
Eis schon zwischen Bestellen und Zahlen vereiteln. Stirnrunzelnd esse ich weiter und stelle fest, schon öfter
den Fehler gemacht zu haben, die vermeintlich vergnüglichen oder entspannenden
Tätigkeiten „Baden“ und „Essen“ miteinander verbinden zu wollen. In meiner
Fantasie stellt sich mir das immer wieder wie die Maxime des Genusses dar, doch
in Wahrheit sitze ich am Ende nur in trübem Wasser und fühle mich wie ein
Walross.
Als der Kuchen endlich gegessen ist, versuche ich es mit dem Lesen eines Buches, einer Tätigkeit, der ich zu selten nachkomme, was mir das Gefühl gibt, faul und ungebildet zu sein, und zu welcher ich mich an Orte retten muss, an denen die Anwesenheit eines Laptops unangenehme bis schlimme Folgen haben könnte.
Als der Kuchen endlich gegessen ist, versuche ich es mit dem Lesen eines Buches, einer Tätigkeit, der ich zu selten nachkomme, was mir das Gefühl gibt, faul und ungebildet zu sein, und zu welcher ich mich an Orte retten muss, an denen die Anwesenheit eines Laptops unangenehme bis schlimme Folgen haben könnte.
Das Lesen klappt erstaunlich gut und hat zur Folge, dass ich
in immer kälterem Wasser vor mich hin dümple, bis meine Füße sich zunehmend
anfühlen, als würde ihnen jede Lebenswärme entweichen, und die Grenzen zwischen
Körper und umgebender Flüssigkeit zu zerfließen scheinen. Ich versuche eine
Weile, dem Wasser meine Füße etwas zu entziehen, indem ich sie oberhalb des
Wasserspiegels an die Wannenwand stütze. Das hat jedoch nur zur Folge, dass sie
nun einzuschlafen oder abzusterben scheinen, so dass ich sie resigniert wieder
zurück in die Schwerelosigkeit gleiten lasse. Kurz bevor ich mich endgültig wie
eine nasskalte Amphibie zu fühlen beginne, entschließt sich mein linker Fuß endlich
zur Eigeninitiative und veranlasst den Wasserhahn dazu, frisches, heißes Wasser
in die lauwarme alte Suppe zu geben, die ich mein wohl mein neues Zuhause
nennen muss, bis genügend Anlass besteht, dieses erstaunlich spannende Buch wegzulegen
und mich in an einen trockeneren Ort zu begeben.
Ein schweifender Blick durch die Nähere Umgebung der
Badewanne zeigt keinerlei neue Vorkommnisse, die mich dazu veranlassen könnten,
meine gegenwärtige Position zu ändern. Lediglich mein Badehandtuch, das ich auf
den Badewannenrand gelegt hatte, um gegebenenfalls meine Hände vor dem Berühren
von Gabel, Teller oder Buch trocknen zu können, ist, wie sollte es anders sein,
zu weit in die falschere von beiden Richtungen gerutscht und saugt nun, wahrscheinlich
schon eine ganze Weile, munter Wasser in sich hinein. Mit einem widerwilligen
Grunzen hieve ich mich in eine aufrechtere Position, um es greifen und an
seinem sinnlosen Tun hindern zu können. Ich wringe es aus, trockne mir die
Hände an einer unversehrten Stelle des Tuches und schiebe es ein wenig auf dem
Rand der Wanne hin und her, bis es erneut, zumindest für eine Weile, dem
Balanceakt zwischen Badezimmerboden und Wasserspiegel Stand hält.
Beruhigt wende ich mich wieder meinem Buch zu. Leider währt
die neu gewonnene Entspannung nicht lange, da ich beim Lesen mit meinen Füßen
an der langen dünnen Metallkette des Wannenstöpsels herumspiele und ihn auf
diese Weise gedankenverloren aus dem Abflussloch reiße. Sogleich wird die
filigrane Kette vom Strudel des abfließenden Wassers an das Abflusslochsieb
gesaugt, wodurch sich der Stöpsel nicht mehr ohne Weiteres an seine vorherige
Position schieben lässt. Mit den Füßen klappt dieses schwierige Manöver erst
recht nicht wirklich, doch ich bin nicht bereit, mein Buch schon wieder aus den
Händen zu legen und diese schon wieder nass werden zu lassen. Wie ein
aufgebrachter Krake fuhrwerke ich also mit meinen Beinen unter Wasser herum, auf
meinem Arsch balancierend und mit angespannten Bauchmuskeln, während ich das
Buch mit beiden Händen wild über meinem Kopf schwenke. Als ich meine Füße und
Zehen schließlich erfolgreich dazu gebracht habe, zu tun, womit meine Hände
sich um ein vielfaches leichter getan hätten, ist mehr als die Hälfte des
Wassers aus der Wanne entwichen. Resigniert lasse ich mich zurück ins verbleibende
Badewasser sinken. Die abebbenden Brandungswellen schwappen an meinen Bauch und
geben mir das Gefühl, eine monströse, moränenartige Hügellandschaft
darzustellen. Ein unangenehmes Gefühl in einer so kleinen Wanne. Trotzig versuche ich, mich fröstelnd wieder in meine Lektüre
zu vertiefen, gebe jedoch bald leise fluchend auf und beschließe, dass dieses
Element vielleicht doch nicht das meinige ist. Wahrscheinlich sind meine
Vorfahren nicht ohne Grund irgendwann vom Meer ans Land gekrochen.
Allerdings beginnt der wirklich lästige Teil des Badens ja leider
genau in dem Moment, in dem der letzte Rest an Badelust sich endgültig verflüchtigt.
Ich tue, was ich vermutlich tun muss, um mich später als erfolgreich gebadet
bezeichnen zu dürfen, und verstricke mich dabei wiederum in
gesamtgesellschaftliches Problemdenken. Wieviel oder wie wenig Haare an welchen Stellen meines
Körpers kann ich mit meinem Wunsch nach sozialer Akzeptanz einerseits, sowie
meinen persönlichen Vorlieben andererseits vereinbaren? Was tue ich aus Gründen
meiner Sozialisierung; was lasse ich, weil ich es so schöner finde und nicht
etwa, weil ich zu faul bin? Ich fühle mich in einem Dilemma gefangen, während
mir das Wasser gnadenlos jegliche Restenergie aus dem Körper zieht. Woher soll
ich wissen, warum ich etwas schöner finde? Wurde mir das Hirn gewaschen, oder
sind Haare tatsächlich überflüssig und unschön? Mit glattrasierten Beinen habe
ich das Gefühl, auf direktem Wege dem Patriarchat in die Hände zu spielen, mit
Haaren überall fühle ich mich wie eine verwahrloste Sumpfkröte. Mit dem Gefühl
leisen Versagens entscheide ich mich für einen Mittelweg, der mir einerseits den
Anschluss zu unterschiedlichen sozialen Kreisen mit verschiedenen Meinungen
über den politischen und ästhetischen Aspekt von Körperbehaarung gewährleisten
sollte, andererseits jedoch das Gefühl nach etwas Restrenitenz wahrt, erhebe mich schließlich in eine stehende Position und trockne mich ab.
Anschließend umwickele ich mich mit
meinem ja ohnehin schon teilweise nassen Handtuch und stehe eine Weile
unschlüssig auf dem Badevorleger herum. Nachdem ich mich auf unbestimmte Zeit in das
Muster der Badkacheln vertieft und endlich dazu durchgerungen habe, meinen
Hand- tuchmantel, unter dem es mittlerweile schön warm ist, wieder aufzumachen
und der feindlichen Frischluft Einlass zu gewähren, trockne ich mich schnell
ab. Als ich fertig bin fällt mir ein, dass der Stöpsel noch im Abfluss steckt.
Ich kann mich nicht erinnern, jemals daran gedacht zu haben, in herauszuziehen,
solange ich noch im Wasser stehe, und tauche meine Hand resigniert in die nun
endgültig feindseelig erscheinende Nässe. Ich bin froh, die Sisyphosarbeit der Körperhygiene
für heute hinter mich gebracht zu haben, und beschließe, zur Belohnung erstmal
ins Bett zu kriechen.
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